Tanka-Kommentar (Barouch) - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

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EIN KOMMENTAR ZU EINEM TANKA VON PITT BÜERKEN
Valeria Barouch

seit ich alt bin,
wird mein Garten immer
naturbelassener
überall Kräuter, Wespen
und Vogelgezwitscher

Hin und wieder trifft man auf einen Text, der sich wie ein Plagiat unseres eigenen Lebens liest und man fragt sich, warum man dieses Tanka nicht schon lange selber geschrieben hat.
Den Weg vom gepflegten Garten bis zur Naturbelassenheit aus Altersgründen kennt wohl so mancher Hobbygärtner. Dem gegenüber steht der Naturgarten, der schon zu Beginn als solcher geplant wurde. Doch davon ist hier nicht die Rede, sondern von der Tatsache, dass man oft zuerst an ein Paradies für sich als für die Insekten denkt und für seinen Traum keine Mühe schont.
Mein Traum vom eigenen Garten verwirklichte sich vor beinahe vier Jahrzehnten. Beeinflusst vom Lesen zahlreicher englischer "Country" Hochglanzmagazine, stürzte ich mich mit Feuereifer in die Verwirklichung eines gepflegten Gartens. Wen kümmert’s, dass hier kein Landsitz stand, sondern eine jahrhundertealte Alphütte und sich das Land besser für Kühe eignete, als für Fleißige Lieschen. Fleiß war nur bei mir angesagt. Der nette Nachbar sah sich die ersten gepflanzten Blumen an und sagte mit viel Nachsicht: "Soviel Arbeit, aber wissen sie auf dieser Höhe wird das alles nichts." Das Wort "nichts" wirkt bei manchem Träumer wie Doping, er macht vor nichts halt um das Gegenteil zu beweisen. So rackerte ich mich jedes Wochenende ab und führte den Kampf gegen Unkraut, das immer schneller zu wachsen schien. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass jemand während meiner Abwesenheit die Pflanzen goss. Unser Nachbar, trotz seines hohen Alters trug an heißen Tagen manche volle Gießkanne zu den Blumen, wie er schließlich zugab: "Wäre doch schade um die viele Arbeit und wer weiß, die eine oder andere Sorte gedeiht vielleicht doch."
So war es denn auch, aber wie es schon Wilhelm Busch treffend formulierte: "Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt." So manche mehrjährige Pflanze blühte richtig schön nur einmal und verabschiedete sich danach, während Gewächse, die sich in Grenzen halten sollten, plötzlich auf Eroberung aus waren. Der Bonsai, vom Balkon in den Garten verpflanzt, erinnerte sich nach einiger Zeit der Gene, die ihn zu Höherem berufen hatten und die riesige Blautanne verwandelte sich von einem Jahr zum anderen in ein trockenes Insektenhotel.
Der Kampf zwischen Mutter Natur und mir fiel immer zu ihren Gunsten aus. Die Erlösung kam spät und ganz unerwartet – ich kaufte mir ein neues Werkzeug, nämlich einen Fotoapparat. Mit der gleichen Besessenheit, mit der ich Unkraut verfolgte, stelle ich seither allem nach das Beine oder Flügel hat, ergo keine Zeit mehr für die Flora außer durch ein Objektiv betrachtet.
Ob mein nun naturbelassener Garten zur Artenvielfalt beigetragen hat entgeht meiner Kenntnis, sicher ist nur, jene meiner Fotoarchive hat großartig expandiert.
Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
09126 Chemnitz
Deutschland
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Birgit Heid
Mail: einsendung@einunddreissig.net
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