EIN KOMMENTAR ZU EINEM TANKA VON MARIE-LUISE SCHULZE-FRENKING
Tony Böhle
in der Nacht danachunter der warmen Deckean ihn denkenin seinem neuen Bettunter der Erde
Stirbt ein Mensch, spricht man euphemistisch auch von Einschlafen oder Entschlafen dieser Person. Nicht nur, dass diese Begriffe weniger negativ behaftet sind, sie bergen in sich auch schon die Hoffnung der Auferstehung. Wer einschläft, steht danach frisch und erholt wieder auf. Das Bild des Einschlafens auf fast verstörende Weise zu Ende gedacht finden wir in obigem Tanka. Das lyrische Ich liegt in der Nacht nach der Beisetzung im Bett und denkt "unter der warmen Decke" an den Verstorbenen. Dieser liegt nun auch in einem Bett, nämlich "in seinem neuen Bett / unter der Erde". Dieser Gedanke wird am Ende ohne eine weitere Wertung im Raum stehen gelassen, so dass die Leser nicht erfahren, welche Gefühle dieser im lyrischen Ich auslöst. Ist es Berückung, die Hoffnung auf Auferstehung oder das Wissen, den Verstorbenen sicher und behütet in einem weichen Bett zu wissen?
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