Tanka-Auswahl Februar 2022 - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

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TANKA-AUSWAHL Februar 2022
Redaktion: Valeria Barouch & Tony Böhle

Reiner Bonack

SEHE DEINEN VERBLICHENEN BEUTEL,
kaufe noch immer
zu viel Brot, zu viel Wurst,
friere in der Umarmung
des Windes im Sommer


Pitt Büerken

der Große Wagen
lautlos gleitet er entlang
am Nachthimmel
jüngst umgerüstet
auf Elektroantrieb


Beate Conrad

Eine Wolke legt
sich sanft über die Wiese
wo Schafe schlafen
ohne Maske und Abstand
verirren sich Gedanken

Nach der Scheidung
das rostige Cabrio
zum Rest des Lebens
jenseits der Windschutzscheibe
gähnend die Weite der Zeit


Claus-Detlef Großmann

Im frühen Abendlicht
bis ans Ende
der Gartenstadtzeile
Bäume im Rotrausch
Ich sehe den Rewe zum ersten Mal


Gabriele Hartmann

erst gestern
versprachst du den Vögel
Futter zu bringen
auf mannshohen Schnee
streust du deine Entschuldigung

ich lass den Zucker
in die Eier rieseln – oder
ist es Salz?
und plötzlich ist da die Angst
dich morgen nicht mehr zu kennen


Birgit Heid

ein aufgetautes Stück
meiner Geburtstagstorte
mit dem Geschmack
des letzten
Sommers

Sonntagvorabend
im Novemberniesel,
die leere Stadt schmeckt
wie kalte Suppe
ohne Salz


Deborah Karl-Brandt

die teetassen
zum anfassen
zu heiß
unsere diskussionen
zum klimawandel


Dietmar Kraus

Seifenträume
Ach könnten wir nur
diesen Augenblick halten
dieses Du und Ich
in Seifenblasen hauchen
die zitternd dann entschweben


Eva Limbach

wie ungestüm
das Meer mich an diesem Tag
verabschiedet
dabei wussten wir längst dass
dieser Augenblick kommen wird

vom Meer erzählst du
und von längst vergangenen
Tagen im Sommer –
ich fülle unsre Gläser
noch einmal bis zum Rande


Wolfgang Rödig

andre Kinder sagten ihr,
das Christkind gäbe es nicht
schweige viel zu lange
die Kleine schaut mich an,
zusehends entgeisterter


Angelica Seithe

Aber das Glück
ist ein Lampion der
aus dem Nebel tritt
rot leuchtend einen Moment lang
schwankend in der Dämmerung


Friedrich Winzer

Verwirrung
ein zärtlicher Kuss
befreit mich
aus dem Spinnennetz
meiner Träume

fünfzig Jahre
leben wir schon zusammen
und immer noch
ist etwas übrig
von der Glut

mühsam
Stein für Stein
fluche ich mich
durch die Altstadt
im Rollstuhl

Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
D-09126 Chemnitz
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Mail: einsendung@einunddreissig.net
(C) 2021. Alle Rechte bei Tony Böhle und den AutorInnen.
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