Tanka-Auswahl November 2021 - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

Halbe Wahrheiten

sind raffinierte Lügen –

weich eingewickelt

Fast versöhnt, nehme ich wahr,

dass es mich nicht mehr berührt.

Siebzehn Grad Celsius

August, nachmittags um fünf

Von Regen durchnässt

mit beschlagener Brille

weiß sie nicht was sie noch sucht

mein Herz stand still

als ich dir zum ersten Mal

begegnete

dein Herzstillstand

bricht  es mir nun

auf dem Nachttisch noch

das Spitzendeckchen

ihre Brille, ein Taschenbuch

ich räume alles beiseite

zurück bleibt nur ein wenig Staub

Umarmung

unsre letzte

ich halte dich

wie etwas das mir

nicht gehört

deine Abwesenheit

ins Unendliche

verdichtet

ich trage

ein schwarzes Loch in mir

gestrandet

in dieser Welt

wie Treibgut

bis jene letzte Flut

mich aufnimmt und fortträgt

Nach dem Ballett

der Heimweg

mit Ausfallschritt

Traumtänzer

sagt sie trocken

heupferd

keiner wird je

deinen wirklichen namen erfahren –

oder ist er in deinem zirpen

offenkundig…

nicht aufhören,

dagegen anzuschreiben,

sage ich mir, obwohl ich

der bornierten Leserbriefe

überdrüssig bin

ein Vorwort

für die neue Veröffentlichung…

ich wusste nicht,

dass mein Arm

so schwer sein kann

auf der Heimfahrt

schütteln wir sie ab,

die Oberflächlichkeiten

und halten uns

lästerliche Grabreden

zwischen den Zeilen

des alten Geschichtsbuches

eine Mohnblume

sorgfältig gepresst für die

dunkler werdenden Tage

jetzt alterst du

sagt meine Tochter, abends

nach der Schicht

für heute verdamme ich

die Schweigepflicht

im Traum

wollte ich schreien und

konnte es nicht

doch über Dächer flog ich

nur mit meinen Armen

Die Grundregel bleibt

"Bitte Abstand beachten!"

Vor meiner Haustür

wartete schon das neue Jahr –

und nimmt bald Tuchfühlung auf.

Stiller Abendgang.

Das Klopfen des Knaufs

an die Stirn:

Komm raus,

Fehler!

Austausch –

die heiße Hand von dir

auf meiner Haut

"Schön kühl" sagst du

Ich sag "schön warm"

Elternhaus

Zimmer für Zimmer

sauge ich sie auf

die guten und schlechten

Erinnerungen

versonnen

hocke ich am Boden

und verfolge

Ameisen beim Transport

meiner Gedanken